Rosen
Keine Blume genießt höhere Bewunderung als die Rose. Die unendliche Vielfalt ihrer Erscheinungsformen hat die Menschen seit Jahrtausenden zu den verschiedensten Texten inspiriert, die alle eines gemeinsam haben: sie preisen die Rose als „Königin der Blumen“—so nannte sie jedenfalls schon die griechische Dichterin Sappho.
Und wie sich die Rose als Königin der Blumen bis heute unangefochten behauptet hat, so hat sie sich auch in der Sprache gehalten. Die früheste bekannte Rose war vermutlich die rote „Rosa gallica“ oder „Rosa rubra“; das schlägt sich auch in den verschiedensten Sprachen nieder, woran sich bis heute nichts geändert hat: „Rhodon“ ist das griechische Wort für Rose—daher der Name der Insel Rhodos, auf der Rosen in Fülle wuchsen –, der lateinische Name ist „rosa“, der englische „rose“, der französische „rose“, der polnische „roza“.
Mit Rosen verbindet der Mensch Liebe und Hinwendung. Dieser Zusammenhang tritt bereits in der frühesten bekannten Beschreibung der Rose auf, der des griechischen Dichters Anakreon: „Als das Meer die schöne, taufunkelnde Venus erschuf … gebar die Erde ihrerseits diese liebliche Pflanze—ein neues Meisterwerk der Natur… majestätisch auf ihrer dornigen Säule, die Rose, diese unsterbliche Blume.“ In unserer Zusammenstellung finden sich ebenfalls Verse von Anakreon wie auch von Poeten des 18. Jahrhunderts, die sich in ihrer Dichtungsart auf Anakreon beziehen. Theokrit nannte die Rose „das Licht der Welt“ und „das Feuer der Liebe“. Die berühmteste Rose von allen jedoch ist seit dem Altertum die Damaszenerrose, deren Wohlgeruch den aller anderen Rosen und Blumen übertrifft. Darauf machte schon der griechische Geschichtsschreiber Herodot aufmerksam.
Der Duft! Nein—die Düfte! Sie sind unterschiedlich von Rose zu Rose, die äußere Vielgestaltigkeit dieser Blume findet sich im Duft wieder. Der Rosenduft hat Generationen von Menschen zu begeisterten Beschreibungen hingerissen, vielmehr: zu Beschreibungen dessen, zu was dieser Duft alles inspiriert. Das Ungreifbare dieses Geruchs, dieses Rosendufts, birgt in sich schon die Anregung, Impressionen freien Lauf zu lassen. Die Prosa-Skizze des dänischen Schriftstellers Jens Peter Jacobsen (1847–1885) „Hier sollten Rosen blühen“ ist in ihrer magisch-phantastischen Irrealität gleichsam in Worten auskomponierter Duft, indem zunächst eine nur denkbare Szenerie eingeführt wird, die sich dann zur Realität verdichtet.
Auch die „Eitelkeit“ der Rose als Königin der Blumen ist natürlich Gegenstand der Poesie geworden. Diesen Hochmut nimmt das Märchen von Robert Reinick aufs Korn: der Rosenstock, der seinen Platz nicht kennt, wird am Ende ausgemustert.
So steht die Rose in der Dichtung für viele Aspekte des menschlichen Lebens, in ihrer Mannigfaltigkeit bietet sie unerschöpfliches Anschauungs- und Deutungspotential, Liebe und Tod finden sich in ihr zusammengeschlossen.
Ihr Adel macht sie geeignet auch für die symbolhafte Verwendung im religiösen Bereich. Der Rosenkranz, das Rosarium—die Gebetsschnur—hängt eng
mit Rosen zusammen, wie der Name schon andeutet: Ursprünglich wurden die Perlen auf der Schnur aus gemahlenen Rosenblättern geformt; aus Rosen deshalb, weil h
äufig die Heilige Jungfrau mit ihnen abgebildet wurde.