Um 1500 sprachen und schrieben in Deutschland nur noch Kirche, hohe Schule und Wissenschaft Latein. Dennoch entwickelte sich nur sehr langsam eine eigene deutsche Dichtkunst. Wesentlich für die Entwicklung eines Sprach-Selbstbewusstseins war die von Luthers Sprachgewalt geprägte Bibelübersetzung. Folgerichtig beginnt diese Anthologie mit Gedichten des großen Reformator, Gedichte, die nicht zuletzt durch ihre spätere Vertonung, fester Bestandteil deutschen Kulturguts geworden sind. Gerade aus der Zeit des 16. Jahrhunderts gibt es viele Gedichte, deren Verfasser heute nicht mehr bekannt sind. Sie hauben in dieser Sammlung neben den Werken so bekannter Namen wie H. J. Chr. Grimmelshausen, Paul Gerhardt, Angelus Silesius einen gebührenden Platz erhalten. Die Besonderheiten dieser Lyriksammlung der Renaissance und des Barock ist keineswegs zuletzt durch die überragende interpretorische Leistung des Sprechers Reiner Unglaub gegeben. Ihm gelingt es, die schlichte Schönheit der Gedichte ebenso zum Klingen zu bringen wie auch die tiefempfundene Gläubigkeit, die häufig für die Verfasser bestimmend war. bei manchen Texten - fast nur noch als volkstümliche Lieder bekannt ("Wenn ich ein Vöglein wär", "Aennchen von Trarau") - wird die gesprochene Realiserung möglicherweise zu einem neuen Zugang und Verständnis führen.