Die Auer Dult in München ist wunderschön – ja wie, Sie wissen nicht was eine Dult ist? Dabei ist es eines der ältesten deutschen Worte überhaupt und bedeutet: ein jährlich stattfindendes Fest mit kirchlichem Anlass, es handelt sich also um das Kirchweihfest in der Au in München. Und weil die Bewohner der Au besonders fromm sind, (und der Umsatz vermutlich den Pfarrer freut) gibts die auch gleich drei Mal im Jahr. Eine wundervolle analoge Angelegenheit mit volkstümlicher Unterhaltung und einem Markt, auf dem es alles gibt, was Rewe und Co. zum Glück nicht im Programm haben, und somit ein Anlass mal wieder nach allen möglichen unnötigen Dingen zu stöbern.
Bei einem Antiquitätenstand fand ich ein Körberl mit alten Geldscheinen, zum Beispiel einen Schein von 1910 zu stolzen 100 Reichsmark, nach heutigem Geld etwa 600 Euro, bis hin zu einer 1.000-Mark-Reichsbanknote vom 15. Dezember 1922, die 1923 mit „Eine Milliarde Mark“ rot überdruckt worden war.
Jeder dieser einzelnen Scheine, so verwittert und abgegriffen er auch aussehen und sich anfühlen mag, lässt einen die Hoffnung und das Vertrauen, welches die Menschen vor langer Zeit in diesen Schein gesetzt haben, aber auch die Hoffnungslosigkeit während der berüchtigten Inflationszeit – in der so viele Menschen auf der Welt buchstäblich alles verloren – spüren.
Diese längst entwerteten Scheine, für ein paar Cent an diesem Stand zu haben, tragen auf sich die Spuren vieler Menschen, die selber auch schon längst der Vergangenheit angehören.
Und heute? Ein Kollege, der mit mir die Garderobe teilte, starrte bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit in seinen Laptop, um zu sehen, ob seine Bitcoins gefallen oder gestiegen seien.
Seine Erzählungen über das Minen, „Schürfen“, also seinen Computer tage- und nächtelang irgendwelche Dinge tun lassen, von denen er keine Ahnung hatte, und dabei einen Stromverbrauch zu verursachen, dessentwegen er sogar einmal aus dem Hotel geworfen wurde, waren ebenso unterhaltend wie sachlich wenig informativ.
Das einzige, was mir blieb, war die Frage: Was macht er damit? Die Antwort: „Ich könnte das jederzeit gegen Euros eintauschen, aber das tue ich nicht, weil ich sehen will, wie reich ich noch werden kann“, war systemisch erhellend: Er wird solange mit dem Umtausch/Verkauf warten, bis der Bitcoin gecrashed ist!
Und dann? Geht es ihm wie dem Fischer in dem Märchen von eben demselben und seiner Frau? Verheiratet ist mein Kollege ja.
Ich frage mich: Der Gedanke, das Prinzip von Geld – Hoffnung, Vertrauen, Neid und Habgier zu entmaterialisieren und von einem Edelmetall respektive in der ersten Metaebene auf billiges Blech und Papier und nun in der zweiten Metaebene auf virtuelle Bits umzuprojizieren –, ist das vielleicht ein so genialer Schachzug, nur, um den Leuten das letzte Geld aus der Tasche zu ziehen, dass wir noch gar nicht bemerkt haben, was da gerade vor sich geht?
Sollte ein gewisser Schülerschreck, der Freiherr von Goethe, mit dem wunderbaren Satz „den Teufel merkt das Völklein nie, auch wenn er es am Kragen hat!“ vielleicht doch noch immer unverändert recht haben?